Praemeditatio Malorum – Schwarzmalen für Profis

Wie stoisches Denken und der Worst Case zusammenhängen und weshalb man deshalb nicht die Welt durch die pechschwarze Brille sehen muss.

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Wenn Stoizismus richtig unsexy wird

Wenn Ihr die Artikel von OX & RE rundum die stoische Philosophie verfolgt, werdet Ihr nicht gerade in helle Begeisterung ausgebrochen sein. Was, ich soll mit dem Memento Mori permanent an den Tod denken? Und dann noch dieses Amor Fati mit der Liebe zum verdammten Schicksal? Wenn Ihr diese Dinge schon als schwierig empfindet, kommt jetzt die bittere Kirsche auf das stoische Sahnehäubchen: «Praemeditatio Malorum».

Wer denkt schon gerne ans Schlimmste? Wer setzt sich schon gerne mit dem auseinander, was im Extremfall passiert? OX & RE geben zu: Wir selbst nicht! Trotzdem ist die PraeMal (ja, wir kürzen das lateinische Wortmonster hier mal inoffiziell ab) für Euer stoisches Denken unverzichtbar. Und OX & RE bieten Euch eine Variante an, die niemand sofort in tiefste Depression stürzen muss. Apropos:

DISCLAIMER: In diesem Artikel geht es viel um die schlimmsten Dinge, die Menschen im Leben so widerfahren können. Es werden selten konkrete Dinge angesprochen, trotzdem gilt: Wer sich aktuell in einer schwierigen Lebensphase befindet und zum «Katastrophendenken» neigt, sollte diesen Artikel vielleicht meiden – oder testen, wie gut es mit der stoischen Gelassenheit und Haltung mittlerweile klappt.

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Der Worst Case – Juhu?

Ob Seneca, Marc Aurel oder die frühen Stoiker, überall findet Ihr einen Bezug auf die PraeMal. Ob psychologische Foren oder Erfolgsbücher rundum die stoische Philosophie – die Praemeditatio Malorum lässt sich überall als eine der wichtigsten Übungen für Euer stoisches Denken finden. Dabei ist sie für Menschen heute noch weniger intuitiv als das Memento Mori.

Wörtlich übersetzt heißt der lateinische Begriff so viel wie «Meditieren im Vorfeld über das Schlimmste». Das Ganze hat also weniger mit der klassischen Meditation zu tun, die Leser von OX & RE aus anderen Artikeln kennt. Platt gesagt: Ihr nehmt Euch Zeit, Euch mit einer Situation intensiv auseinanderzusetzen und Euch vorzustellen, was das Schlimmste ist, das passieren kann.

Ganz so extrem wie zu den Zeiten von Seneca und den alten Stoikern sind die Konsequenzen zum Glück nicht mehr:

«Lass sie vor Deinem inneren Auge erscheinen: Exil, Folter, Krieg, Schiffsbruch. Alle Konditionen unseres menschlichen Schicksals solltest Du vor Augen haben.»

(Seneca, Übersetzung von OX & RE)

Trotzdem: Warum sollte man sich Zeit und Ruhe gönnen, ernsthaft darüber nachzudenken, wie man sein gesamtes Vermögen, seine körperliche Gesundheit, seine Familie, seinen Ruf oder direkt alles zusammen verliert? Will die stoische Philosophie Euch in die Depression treiben oder zum Schwarzseher erziehen?

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Was Angst auslöst und Angst lindert

Ja, es gibt Menschen, die stehen nach wenigen Sekunden voller negativer Gedanken vor einer Panikattacke. Stress und psychische Überlastung des Lebens sorgen dafür, dass die PraeMal gar nicht vernünftig anwendbar ist. Und in solchen Situationen raten OX & RE natürlich davon ab, diesen Teil der stoischen Philosophie für sich zu entdecken. Tatsächlich kann hier die klassische Meditation (oder, falls nötig, auch ein therapeutischer Ansatz), einen neuen Umfang mit dem Leben und den Menschen ankurbeln.

In allen anderen Fällen gilt: Ab einem gewissen Punkt schaffen es treue Leser von OX & RE sicherlich, Emotionen und Gedanken von der Wirklichkeit zu unterscheiden. Genau dies ist eines der Herzstücke meditativer Übungen: Nicht dem Geschnatter zu glauben, das der Kopf permanent fabriziert, sondern mit Ruhe und Gelassenheit die Emotionen im Zaum zu halten.

Trotzdem gilt: Plötzlich auf ein leeres Konto zu schauen oder sich vorstellen zu müssen, wie man alleine ohne Partner oder Familie leben muss, löst Sorgen und Ängste aus. Völlig zurecht, völlig natürlich. Und sorgt schnell dafür, dass eine komplette Überforderung und größeres Leiden eintritt, als es vielleicht sein müsste. Die PraeMal wirkt deshalb zunächst einmal als Puffer. Was in Ruhe gedanklich durchgespielt wurde (eventuell mit Schlachtplan für eine gute Reaktion), lässt sich dann anwenden, wenn Stress, Panik und Lebensschicksal die Entwicklung kluger Schlachtpläne einfach nicht möglich machen.

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Das Mindset des abstoßenden Magneten

Die Philosophen der Stoa haben mit der PraeMal noch ein anderes Ziel vor Augen. Hierbei ist immer zu bedenken, was stoisches Denken mit Euch machen möchte. Ihr sollt ein tugendhaftes Leben führen. Durchdacht handeln und bewusst mit den Menschen und der Welt umgehen. Eine Haltung voller Mut und Handlungsfähigkeit annehmen, bei denen Ihr eben nicht unter Euren Ängsten und Sorgen zerbrecht.

In diesem Sinne möchte Euch die PraeMal vor Augen führen, was Ihr nicht wollt. Die Angst hiervor, die Sorge hierum, soll als Motivator dienen. Wie beim Minuspol eines Magneten, der sich nicht vom positiven Pol anziehen, sondern dem negativen Pol eines anderen abstoßen lässt.

Diese Haltung ist im Leben heute ernsthaft ein Problem und ist in unserer Zeit schwierig umsetzbar. Hierzu ein simples Beispiel: Ihr möchtet auf Chips und Schokolade verzichten, damit Ihr nicht weiter zunehmt. Was ist der bessere Motivator hierfür:

  1. Die Vorstellung einer schlanken Figur, die man noch in 20 Jahren aufgrund dieses Verzichts hat.
  2. Die Vorstellung, in 20 Jahren als Fettklops mit 60 zusätzlichen Kilos auf der Couch zu vegetieren.

Natürlich wünschen wir uns alle Punkt 1. Deutlich härter, direkter (und letztlich auch realistischer) ist jedoch Punkt 2. Und genau hier setzt der Mut an, den Stoiker von Euch erwarten. Zu akzeptieren, dass Punkt 2 realistisch droht. Und etwas ist, vor dem Ihr Angst habt oder um das Ihr Euch Sorgen macht. Ja, es ist schöner, zu etwas Positivem hin-, statt von etwas Negativem wegzulaufen. Wer (aus eigener Erfahrung weiß), wie tief und nachhaltig der Eindruck negativer Gedanken auf die menschliche Psyche (im Vergleich zu positiven) ist, wird die Haltung von Punkt 2 vielleicht eher annehmen können.

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Der OX & RE Rettungsanker: Alleine der harte Boden

Keine Sorge: Viele angehende Stoiker tun sich mit der PraeMal schwer. Es ist nicht einfach, die stoische Gelassenheit und stoisches Denken aufrechtzuerhalten, wenn ernsthafte Veränderungen der Welt auf einen einströmen. Und Ihr alle wisst, wie schwer sich Verlust, Sorgen und Ängste anfühlen – keine Philosophie, kein stoisches Denken kann vor solchen Emotionen schützen.

Wie dennoch die PraeMal sinnvoll anwenden? OX & RE haben für sich eine Variante gefunden, diese Facette der stoischen Philosophie sinnvoll in Alltag und Leben einzubinden. Und so oft hier im Umfeld der Stoa hört, dass das Hindernis oder der Weg das Ziel ist, fokussieren wir ausnahmslos wirklich auf das Ziel. Also: Die Endsituation.

Jedes Elend, jedes Leid, jede Veränderung hat zwei Phasen. Die erste Phase ist der Weg dorthin, bis der finale Zustand eintritt. Die zweite Phase ist dieser finale Zustand – das ungewollte «Elend», das vorherrscht. Bei der PraeMal geht es für OX & RE nicht um die erste Phase. Ihr sollt nicht Tausende Tode sterben, auf dem Weg zu Eurem finanziellen Ruin oder den langen Monaten, die Ihr einen sterbenden Verwandten begleitet.

Die PraeMal setzt in der zweiten Phase an. Dann, wenn ein neuer Zustand eingetreten ist, der (vorerst) bleibt. Wie lebt es sich in diesem Zustand, wenn das ganze vorherige Drama vorbei ist?

Seneca war für die damalige Zeit ein reicher Mann. Trotzdem schlief er überliefert immer wieder auf dem harten Fußboden. Um sich vor Augen zu führen, wie es wäre, wenn er all seine Reichtümer inklusive des weichen Bettes nicht mehr besäße. Er sinnierte nicht über Tausende von Wegen, wie er seinen Luxus verlieren könnte. Er begab sich alleine in den Zustand der zweiten Phase. Als echtes Erleben, mit allen Emotionen. Und genau diesen harten Boden dürft Ihr für Euer stoisches Denken gerne zwischendurch mal spüren – ohne das ganze vorherige Drama, Baby!

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