Gleichmütig sein: Wenn alles (eben nicht) egal ist!

Warum gleichmütig sein nicht dasselbe wie Gleichgültigkeit ist und dem Stoiker zu mehr Ruhe und Gelassenheit verhilft.

Gleichmütig sein und die Ruhe finden, diese Steine zu stapeln.
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Der Stoiker, die olle Kuh

Beim einleitenden Artikel «Stoizismus – wofür brauche ich das?» haben OX & RE ja die Kuh im Regenschauer als Klischee erwähnt. Und dieses Klischee gehört zu den vielen kleinen Nuancen, weshalb «stoisch» eher negativ behaftet ist und mit «eiskalt» oder «emotionslos» gleichgesetzt wird. Da steht also die Durchschnittskuh ganz gelassen auf der Weide, es regnet in Strömen, und ihr ist es «egal».

Für OX & RE war es immer ein Rätsel, warum es der Kuh (und somit dem Stoiker) als negativ angekreidet wird, nicht zu reagieren. Entweder, die Kuh ist zu dumm zu merken, dass es regnet. Das dürftet Ihr ausschließen, wenn es bei der Bedeutung dieses Vergleichs um eine jahrtausendealte Philosophie geht. Oder es wird erwartet, dass die Kuh nicht ungerührt dasteht, sondern stattdessen wutentbrannt, genervt, verärgert, gestresst oder ähnlich reagiert. Als wäre dies die Idealvorstellung, wie wir alle durch unser Leben gehen sollten. Glücklich sein sieht anders aus, unabhängig von der Wetterlage.

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Am Allerwertesten vorbei

Warum also die negative Kuh? Weil es wie bei «stoisch» und «störrisch» ähnlich klingende Worte auf Deutsch gibt, die keine Synonyme sind und trotzdem gerne als solche genutzt werden. Im Falle von «gleichmütig» gilt dies für das Wort «gleichgültig». Beide haben eine völlig unterschiedliche Bedeutung, diese stellen OX & RE unten anhand von Beispielen noch besser dar.

Wenn Ihr die beiden Wörter und ihre Bedeutung nicht trennt, könntet Ihr tatsächlich annehmen, dem Stoiker geht alles am Allerwertesten vorbei. Gleichmütigkeit wäre dann ein völliges «egal sein», und dies wäre fast schon stumpfsinnig. Wem alles egal ist, der dürfte weder mitbekommen noch sich dafür interessieren, was mit ihm/ihr und der Welt passiert.

Ruhig und gelassen zu reagieren, kann aus verschiedenen Gründen passieren. Stellt Euch vor, Ihr seid mit dem Auto unterwegs und ein Geisterfahrer kommt auf Euch zu. In letzter Sekunde schaffen es beide Fahrzeuge, sich auszuweichen. Wer hiernach seinen Puls nicht etwas höher schlagen spürt, ist entweder wirklich gelassen und ungerührt unterwegs, oder hat die ganze Zeit über auf dem Rücksitz geschlafen. Das «fehlende Mitbekommen» ist also nicht mit Gleichmut zu verwechseln. Wer null Reize von außen spürt, der erlebt auch nichts, was die innere Ruhe aus dem Gleichgewicht bringen könnte. Wesen dieser Art mit keinerlei Reaktion auf Reize von außen bezeichnet man landläufig gerne als «tot».

Genauso gilt: Wenn einer Person alles egal ist und sie deshalb nicht auf Welt und Leben schaut, wird sie ihre Ruhe nicht aus «Gründen der Tugend» erlangt haben. Genau das liegt aber dem Stoiker am Herzen, wie Ihr mittlerweile wisst.

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Probiert’s mal mit Gemütlichkeit (statt Geltung)

Um «gleichmütig sein» und «etwas ist gleichgültig» voneinander abzugrenzen, schauen OX & RE mal auf die Sprache. Woher stammt die Bedeutung der beiden Begriffe auf Deutsch und warum sind es deshalb keine Synonyme?

Der Begriff «gleichgültig» leitet sich durch Wörter wie «gültig» oder «Geltung» her. Etwas hat für Euch die gleiche Gültigkeit, im wahrsten Sinne des Wortes. Die Uhr zeigt zwei oder drei, draußen regnet’s oder schneit’s – es ist Euch egal. Für Eure innere Einstellung macht die Gültigkeit eines dieser beiden Ereignisse keinen Unterschied.

Der Begriff «gleichmütig» kommt weniger von «Mut», auch wenn manche Stoiker dies sicher gerne hätten. Die Bedeutung liegt näher bei «Gemüt», was auf Deutsch ein sonderbares Wort ist. Gemüt ist irgendwas im Inneren und dabei eher ruhig oder ungerührt als aufgeregt. Ihr kennt schließlich auch den «Gemütsmensch». (Hier sagt der Duden, es wäre ein gutmütiger, aber «etwas langsamer»Mensch – kurios.)

Und dann gibt’s noch die Gemütlichkeit. Das ist dieses Ding mit der Tasse Tee, Buch und Wolldecke, oder alternativ irgendwas mit tanzenden Bären. Eine gemütliche Stimmung ist tatsächlich eine Stimmung, in der es eher ruhig und gelassen zugeht, in der niemand spontan auf Unerwartetes reagieren muss. Eine innere Ruhe, die authentisch ist und nicht so einfach umgestoßen werden kann. Denkt bei «gleichmütig» und «stoisch» also ab sofort an Tee und Wolldecke, schon hat der Stoizismus an Sympathie gewonnen.

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Tor für die Bayern (90.+3)

Wie Gleichmut konkret aussieht und wie ihr gleichmütig sein in Euer Leben integrieren könnt, zeigen Euch OX & RE anhand von einigen Beispielen. Damit es mit dem Gleichmut nicht zu abstrakt bleibt, liefert unsere Seite mal ganz klare und lebhafte Beispiele:

  1. Wenn Borussia Dortmund gegen Bayern München spielt, ist OX & RE das Ergebnis nicht gleichgültig. Da OX & RE im Westen der Republik zu Hause sind, könnt Ihr Euch die Vorlieben denken. Aber: Sollte wie üblich das Tor für die Bayern in der Nachspielzeit fallen, ist Gleichmut gefragt. Die Niederlage des BVB ist kein Grund für Ärger, Aufregung, Wut oder ähnliches. Gleichmütig zu reagieren heißt nicht, eine Vorliebe für einen bestimmten Gewinner zu entwickeln.
  2. OX & RE ist es nicht gleichgültig, ob im Hochsommer 35 °C herrschen und ein Außentermin wahrgenommen werden muss. Lieber darf es gemäßigt bis eiskalt sein, eine absolute Vorliebe. Und dennoch: Gelassen, ruhig und gleichmütig zu bleiben, ist der richtige Vorsatz. Wut und Ärger bringen einen hier schließlich noch zusätzlich ins Schwitzen.
  3. Für OX & RE ist es nicht egal, ob das Finanzamt etwas nachfordert oder es eine Rückzahlung gibt. Es geht schließlich um bares Geld, um damit müssen wir alle unser Leben gestalten. In beiden Fällen gilt es jedoch, gefasst und ruhig zu reagieren. Wenn alles rechnerisch stimmt: Okay, gleichmütig zahlen (oder sich über den Geldeingang freuen). Wenn Fehler passiert sind: Nachbessern und stoisch gefasst das Ganze angehen. Schließlich sind überall auch nur Menschen am Werk, die Fehler machen (oder eben nicht).
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Noch eine Facette des «Dicho-Dings»

Kenner der Szene (und dieser Seite) haben es bei den Beispielen vielleicht gemerkt: Vieles beim Thema Gleichmut hat mit der Dichotomie der Kontrolle zu tun. Diese hat Euch OX & RE in einem anderen Artikel ja schon näher gebracht, wobei Gleichmütigkeit tatsächlich eine direkte Folge ist. Hier deshalb in Kurzform:

Ob Wetter oder Fußballergebnis – was ich in meinem Leben und durch mein Handeln nicht selbst beeinflussen kann, verdient keine negative Emotion. Gleichmütigkeit zu zeigen, die Ruhe zu bewahren, gleichmütig zu sein, ist hier der einzige Weg. Ja, jeder Stoiker hat Vorlieben. Und Gleichmut ist der einzig sinnvolle Weg, um mit der Situation umzugehen, wenn die persönliche Vorliebe nicht eintritt.

Gleichmütig dürft Ihr natürlich auch für Dinge sein, die Ihr beeinflussen könnt. Hier ist Gleichmütigkeit vielleicht sogar noch schwieriger. Ihr könnt bestimmte Dinge in Eurem Leben beeinflussen, und trotzdem gehen sie nicht so aus, wie von Eurer Seite gewünscht. Gleichmütig sein ist durch die enge persönliche Bindung zu Ereignis oder Person komplizierter. Aber erneut der einzige Weg, um gefasst und glücklich durchs Leben zu gehen und nicht durch fehlenden Gleichmut unbedacht zu reagieren – manchmal mit fatalen Folgen.

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Immer locker bleiben …

Ihr alle kennt die Menschen, die wenig gelassen und ruhig durch die Welt gehen. Die mit der extrem kurzen Zündschnur. Und ja, hier mag man sich Gleichmütigkeit wünschen (und für Euch selbst auch etwas Gleichgültigkeit, was die Anfälle solcher Choleriker angeht).

Doch wie so oft fällt der Blick mühelos auf das Extrem des anderen, wobei die eigene Person das gleiche Defizit in abgemilderter Form aufweist. Deshalb gilt: Gleichmütig sein lässt sich trainieren, egal wie gelassen und souverän Ihr seid. Rund um die Uhr, an jedem Tag Eures Lebens.

Und wenn andere um Euch herum die Synonyme nicht verstanden haben und Euch vorwerfen, dass Ihr eiskalt, berechnend und emotionslos reagiert? Dann habt Ihr am Ende dieses Artikels vielleicht erkannt, wie Ihr hierauf innerlich reagieren könnt.

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