Amor Fati – am Pokertisch des Lebens

Warum die Bedeutung von Amor Fati so gegen die Intuition geht und Ihr dennoch das Schicksal wie jede neue Hand am Pokertisch lieben solltet.

Liebe zum Schicksal, am leichtesten mit einem Royal Flush möglich.
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All-in mit Friedrich Nietzsche

Wie einige Leser von OX & RE längst erkannt haben – der Ausdruck «Amor Fati» geht nur indirekt auf die Stoiker zurück. Am ehesten wird er Friedrich Nietzsche zugeschrieben, wobei seine Philosophie dem Stoizismus in vielen Aspekten nicht fern ist. Die klassischen Stoiker würden sich gegen seinen Nihilismus stellen, aber darum geht’s hier ja nicht. Deshalb: Chips auf den Tisch! Poker!

«Amor Fati» bedeutet wörtlich «Liebe das Schicksal!». Und wer schon seine Schwierigkeiten mit dem Memento Mori hat, wird hier erst recht stolpern. Wie soll man etwas lieben, das man meist kaum akzeptieren kann? In diesem Artikel von OX & RE geht’s weniger um Wissenschaft und Philosophie, sondern ums Leben als Pokertisch. Denn genau hier könnt Ihr Einblicke gewinnen, was Schicksal eigentlich heißt und Euren Weg als Mensch prägt.

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Der kuschelweiche Schlag des Schicksals

Ob zu Nietzsches Zeiten oder heute – dass sich Menschen mit «Amor Fati» schwertun, hat einen Hauptgrund. Und dieser wohnt in einem riesigen Missverständnis! Eine typische Reaktion der Menschen ist: «Ich kann das Schicksal nicht lieben, es ist ja oft kaum zu ertragen. Krankheit, Tod, Unfälle etc., ein Schicksalsschlag verändert mein Leben und stellt eine extreme Belastung dar. Hierfür soll ich Liebe übrig haben?»

Der Denkfehler (und hier steckt fast noch mehr Nihilismus als bei Nietzsche drin): Alleine negative Dinge werden als «Schicksal(sschlag)» angesehen. Positive Dinge, die Euch als Mensch im Leben widerfahren, werden gerne als «Lohn harter Arbeit» oder «Können» oder «DAS habe ich mir ja wohl verdient!» abgetan.

Ihr bekommt die neue Stelle und setzt Euch gegen 50 Bewerber durch. Ihr feiert einen Lottogewinn. Oder Ihr findet die große Liebe. Herzlichen Glückwunsch! Bei vielen dieser schönen Dinge habt Ihr genauso wenig einen aktiven Beitrag leisten können wie bei den negativen Dingen, die Euer Leben kreuzen. Ob Zufall, Glück, Können oder andere Begriffe – in all diesem Erlebten steckt auch der (kuschelweiche, positive) Schlag des Schicksals.

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Jetzt aber: Die Einsätze bitte!

Habt Ihr schonmal Poker gespielt? Vielleicht online oder in einer der großen Spielbanken in Hamburg oder Berlin? Wenn Ihr Euch an den Spieltisch setzt, habt Ihr Runde für Runde keine Ahnung, ob Ihr ein Ass-Pärchen oder 2/7 zugeteilt bekommt. Das ist Zufall – ein Begriff, der eng mit Schicksal zusammenhängen scheint, dazu kommt dieser Artikel von OX & RE noch.

Egal, wie Ihr Euch als Pokerspieler vorbereitet (und hier gibt’s genügend Wissenschaft und Psychologie und Statistik etc.) – Ihr habt keine Ahnung, welche Karten Ihr erhaltet. Ihr könntet dreimal hintereinander das Ass-Pärchen erhalten. Oder permanent die grausamsten Karten der Welt.

Das Verrückte zudem: Ihr könnt mit Eurem Ass-Pärchen gegen jedes andere Blatt verlieren. Oder mit Eurer 2/7 gegen jedes andere Blatt gewinnen. Und genau hierin liegt der Reiz und der Wahnsinn des Poker: Die nächste Karte auf dem Spieltisch kann alles auf den Kopf stellen. Und genau DAS gehört zum Spiel und ist dessen Faszination.

«Amor Fati» und seine Bedeutung für Pokerspieler muss deshalb sowas heißen wie: «Liebe das Spiel»! Mit all seinen Wandlungen und unvorhersehbaren Momenten. Man hofft zu gewinnen, man wird regelmäßig verlieren, und am Ende des Tages könnt Ihr immer noch sagen: «Mensch, was ein geiles Spiel».

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Das gleiche Schicksal? Welch ein Zufall!

Ob Stoiker, Nietzsche oder andere Philosophen – die Einschätzung, was Schicksal und was Zufall ist, ist nicht immer einfach. Manche Menschen zweifeln den Zufall an, alles ist vorherbestimmt. Andere sehen im Schicksal die Fügung und Vorhersehung, die beispielsweise ein Gott für Euch als Menschen hat. In diesem Artikel von OX & RE soll keine dieser Sichtweisen aufgegriffen werden, schließlich geht’s um Euch und den sanften Einstieg in den modernen Stoizismus.

Gute Pokerspieler lieben schlechte Pokerspieler am Tisch. Sie treffen falsche Entscheidungen, verraten sich durch Kleinigkeiten und neigen zu einem völlig unüberlegten Verhalten. Wer seine Mitspieler richtig «liest», wird diesen schnell das Geld aus den Taschen ziehen.

Anders gesagt: Gute Spieler haben ziemlich schnell Wissen über schlechte Spieler. Und schlechte Spieler merken dies nicht, weil Ihnen die Erfahrung fehlt. Sie verlieren selbst mit den besten Karten, da erfahrene Spieler mit ihrer Analyse und ihrem Wissen rechtzeitig ausgestiegen sind.

Steht der schlechte Spieler pleite vom Tisch auf, wird geflucht. Die Welt hat sich gegen einen verschworen! Oder vielleicht sogar Betrug? Schlechtes Karma! Immer das gleiche, böse Schicksal! Und der gute Spieler lacht sich ins Fäustchen. Aus einem einfachen Grund, den wir alle so gerne übersehen: Was WIR als Schicksal empfinden, kann für andere knallhartes Wissen und Kalkül sein. Nicht zufällig oder schicksalshaft erreichen die besten Verkäufer die besten Verkaufszahlen. Nicht zufällig oder schicksalshaft kann Euer Mentalist Euer Geburtsdatum erraten. Nur für EUCH fühlt es sich übersinnlich an – Euer Gegenüber weiß da mehr.

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Die Zufallsstatistiken der Raucher und Raser

Noch ein weiteres Beispiel: Mit Sicherheit habt Ihr in Eurem Leben auch diesen speziellen Menschen, der jedes Mal bei Erdbeerorange noch über die Ampel rast. Oder der seit Jahrzehnten raucht. Plötzlich passiert es: ein schwerer Autounfall! Oder eine schwere Lungenkrankheit! Mit Sicherheit wird sich der Raser tierisch aufregen über die Ungerechtigkeit des Lebens. «So viele Deppen sind auf der Straße unterwegs, warum passiert ausgerechnet mir etwas?». Ein Schicksalsschlag eben.

Und genau hier braucht Ihr weder eine große Philosophie noch viel Wissenschaft, um Euch zu denken: «Najaaa, völlig zufällig ist das jetzt auch nicht. So wie Du die ganzen Jahre fährst – es hätte locker schon früher passieren können.». Und wieder gilt: Die Welt und die Menschen um einen herum haben eine objektivere Einschätzung als man selbst. Was sich tief im Inneren als Zufall oder Schicksalsschlag anfühlt, kommt für andere nicht überraschend.

«Amor Fati» und seine Bedeutung sollen deshalb nicht sein: «Liebe, dass Dir etwas Schlimmes passieren kann und Du zu doof bist, dies rechtzeitig zu erkennen.». Amor Fati im Sinne des Stoizismus heißt zu erkennen und zu akzeptieren, dass gute und schlechte Dinge passieren können. Und wir alle Wissen erlangen können, um hinter die Fassade des Schicksals zu schauen und mehr über uns und die Irrungen und Wirrungen in unserem Leben zu erfahren. Und mit diesem Wissen wird langsam klar, was vorher schicksalshaft war. So drückt Amor Fati die Begeisterung fürs Leben aus – nicht obwohl, sondern gerade weil Ihr nicht wissen könnt, ob Euch morgen das Ass-Pärchen oder die 2/7 erwartet.

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Amor Fati – das Blatt in die Hand nehmen

Wozu dieser Artikel genauso wie Friedrich Nietzsche und der klassische Stoizismus Euch motivieren möchten: Es gibt Unterschiede zwischen Zufällen und Schicksalen. Und hier geht es nicht um göttliche Fügung und ähnliches. Erneut hilft der Pokertisch weiter:

Welche Karten Ihr Runde für Runde bekommt, ist Zufall. Genauso wie die Lottozahlen nächsten Samstag. Aber der Ausgang der Runde ist nicht Zufall. Ihr könnt – und was könnte besser zu Karten beim Poker passen – Euer Schicksal in die Hand nehmen. Buch für Buch zum Thema Wahrscheinlichkeiten wälzen. Eure Gegner beobachten und Ihr Verhalten analysieren. Euer Bestes für den Erfolg am Spieltisch geben. Und hierdurch etwas kontrollieren, was für andere gottgegeben oder zufällig wirkt. Und: Am Ende des Tages doch noch mit einem Ass-Pärchen verlieren. Aber hey, Amor Fati!

Ihr könnt die Liebe zum Leben als ganz eigene Wissenschaft etablieren. Und das, was für andere am Pokertisch des Lebens wie Zufall oder Schicksalsschläge wirkt, zu Eurem fundierten Wissen und Eurer Philosophie machen. Immer mit dem grandiosen Gefühl, selbst immer noch für zahllose Dinge blind zu sein, die zufällig oder schicksalshaft wirken.

Wenn Ihr Amor Fati die Bedeutung gebt, Freude am Leben trotz oder gerade wegen seiner Unvorhersehbarkeiten zu erfahren und Euch dem mutig zu stellen, geht Ihr einen sinnerfüllten, stoischen Weg. Und Nietzsches Nihilismus steht nach einem fatalen All-in vom Tisch auf. In diesem Sinne: Amor Fati!

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