Memento Mori – der Tod ist kein Ereignis

Was Memento Mori auf Deutsch bedeutet und weshalb Stoiker sich so intensiv mit dem Tod befassen, um das Leben noch mehr zu schätzen.

Memento Mori – diese Schädel können nicht mehr an den Tod denken.
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Breaking News: Wir alle sterben!

Wir Stoiker sind dem Klischee nach ja ein fröhliches und ausgelassenes Völkchen. Wir beharren stur auf unserer Meinung, gehen völlig emotionslos durchs Leben und gehen immer nur vom Schlimmsten aus – mit anderen Worten: Wir sind der Mittelpunkt der Party! Um das Ganze etwas aufzulockern, widmen sich OX & RE deshalb sehr früh einem Thema, das garantiert den letzten Skeptiker abholt: der Tod, juhu!

Das «Memento Mori» und die Auseinandersetzung mit der Vergänglichkeit liegt dem Stoiker am Herzen. Nicht nur ihm, über die Epochen hinweg befassen sich genügend andere Philosophien und Denker mit Themen wie Sterben und Vergänglichkeit. OX & RE erklären Euch, was «Memento Mori» auf Deutsch heißt und warum dies am Ende des Tages (no pun intended!) doch etwas Positives ist.

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Eine (ambitionierte) Übersetzung von Memento Mori

Eine Übersetzung von Memento Mori von Latein ins Deutsch ist schwieriger, als es zwei Wörter alleine vermuten lassen. Die einfachste Übersetzung wäre vielleicht «Bedenke den Tod» oder «Bedenke die Sterblichkeit». In Englisch lässt sich oft «Remember that you die» finden. Also eher: «Bedenke, dass du sterben musst».

Wer ein bisschen tiefer ins Latein eintaucht (Halt! Bitte nicht einschlafen!), findet andere Übersetzungen, die hierzu besser passen. Ein «Memento moriendum esse!» kommt der genannten Interpretation in Englisch wohl näher.

Für OX & RE liegt hierin schon Potenzial für eine neue, positive Seite des Memento Mori. Über den Tod nachzudenken, ohne die eigene Sterblichkeit in den Vordergrund zu stellen, ist eher ein Nachdenken über Veränderung. Ja, ich sterbe. Aber alles um mich herum auch, Mensch, Tier und Pflanze. Euer Smartphone. Die Blätter der Bäume vor Eurem Fenster verrotten, bis im nächsten Frühjahr neue wachsen. Ohne Leben kein Sterben. Und alles in Veränderung.

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Weshalb der Tod kein Ereignis ist

OX & RE wissen: Niemand befasst sich gerne mit dem Tod. Familienmitglieder, Freunde und Haustiere sterben. Trauer zu tragen, ist das Natürlichste der Welt, auch wenn Stoiker eine eigene «Trauerkultur» haben. Dazu sicherlich später noch ein Artikel.

Memento Mori heißt auch nicht: «Denkt an den Tod, geratet in Panik und weint viel.». Je nach Übersetzung in Deutsch, Englisch oder andere Sprachen geht ein wichtiger Aspekt schnell unter: Sterblichkeit ist nichts, was zum Ende des Lebens eintritt. Sie ist jetzt schon präsent.

Für viele Menschen ist das Leben über die meiste Zeit hinweg keine Auseinandersetzung mit dem Tod. Über die Jahrzehnte wird man in wenigen Momenten radikal an ihn erinnert, beispielsweise durch das Versterben eines geliebten Menschen (oder Tieres). Die eigene Vergänglichkeit (und ein Nachdenken hierüber) ist etwas, das kurz vor dem Tod stattfindet.

Der Tod ist aber kein Ereignis, dass am Ende des Lebens stattfindet. Das «Mori», die zu bedenkende Sterblichkeit, ist ein Zustand. OX & RE und Ihr alle da draußen seid sterblich, jetzt und hier. Morgen auch wieder. Vergänglichkeit ist ein Zustand, der in jeder Sekunde vorliegt und so langsam voranschreitet, dass man ihn im Alltag kaum bemerkt. «Memento Mori» heißt deshalb auch: Wieder und wieder über das Leben jetzt und hier nachdenken.

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Memento Mori – eine Botschaft fürs Leben

Regelmäßig über die Sterblichkeit von Euch und anderen nachzudenken, hat eine vertraute und eine neue Seite. Setzt Euch in Ruhe hin und führt Euch vor Augen: «Okay, ich bin sterblich, und die Menschen, die mir etwas bedeuten, sind es auch.». Das Ganze löst Gedanken und Gefühle aus. Die vertraute, alte Seite ist hierbei:

«Der Moment kommt, wenn ich nicht mehr bin. Oder die Menschen, die ich liebe. Das macht mich traurig. Ich habe Angst davor.»

Die neue Seite, auf die das Memento Mori abzielt, und die zu schnell vom genannten Gedanken überdeckt wird, ist:

«Wie gehe ich eigentlich mit meinem Leben und dem meiner vertrauten Menschen um, wenn ich um ihre Sterblichkeit weiß? Wenn ich und alle um mich herum unsterblich wären, müssten wir anders miteinander umgehen, als wir es heute tun. Worin liegen die Unterschiede, wenn ich weiß, dass ich oder die geliebten Menschen um mich herum nicht mehr sind?»

Antworten hierauf haben eine praktische und eine moralische Seite. Für die moralische Seiten eines der bekanntesten Zitate von Marc Aurel:

Du könntest jetzt und hier aus dem Leben scheiden. Lass dies bestimmen, was du tust und sagst und denkst.

Marc Aurel, Selbstbetrachtungen 2.11

Wie vieles in der stoischen Literatur lässt sich auch dies vielfältig interpretieren. Im Zitat steckt, nicht noch «zahlreiche Rechnungen offen zu haben». Mit einem guten Gewissen aus dem Leben zu gehen. Und zu wissen, dass die letzten Worte, die man heute zu einem Freund oder Fremden gesagt hat, wirklich die letzten gewesen sein könnten.

Der praktische Aspekt des «Memento Mori» ist die berühmte Frage: «Was mache ich eigentlich aus meinem Leben?». Ja, viele Eurer Wünsche des Lebens bleiben unerfüllt. Ja, Ihr lebt vielleicht nicht den Traum von Reichtum, Berühmtheit, einer glücklichen Familie, whatever. Aber das beantwortet nicht die Frage, was Ihr aus Eurem Dasein macht. Tag für Tag!

Auf das eigene Leben zu schauen und zu merken: «Ich verschwende viel Zeit. Alles läuft monoton ab. Da muss doch mehr sein. Wieso ist alles so beschissen?» ist genauso hart wie üblich. Das Memento Mori auf Deutsch regt deshalb wieder und wieder zur Reform des Lebens und eigener Sichtweisen an. Und dazu herauszufinden, ob die negativen Gefühle rundum den Tod ein Deckmantel für die negativen Gefühle rundum das eigene Leben sind.

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Stoische Statements und sonstige Literatur

Wer ein bisschen durch Literatur und Religion der letzten Jahrtausende stöbert, wird erkennen: Sterben und Vergänglichkeit sind durchgängig Thema. In der Kunst ist Vanitas und ihre Symbolik in der Antike über den Barock bis in die Neuzeit zu finden. Jedes Buch der großen Literatur und jeder legendäre Film funktionieren nur, weil sie (mindestens) einen von zwei Aspekten behandeln: Liebe und/oder Tod.

Religion setzt häufiger den Fokus auf den moralischen Aspekt des «Memento Mori». Nach den Lehren der jeweiligen Religion gibt es ein Erleben in der Nachwelt, das sich durch richtiges Handeln im Diesseits positiv beeinflussen lässt. Man möge bedenken, wenn man jetzt und hier handelt, was dies für später bedeutet.

Das Memento Mori funktioniert natürlich ohne Religion. Wenn Menschen heutzutage einer Religion angehören, ist dies kaum mehr die römische oder griechische Götterwelt aus den Zeiten der Stoiker. Es muss auch kein klassisches Jenseits auf den Sterblichen warten. Im frühen Buddhismus lässt sich mit dem «maranasati» ein gut passendes Gegenstück zum «memento mori» finden.

Literatur und Kunst in Latein, Deutsch, Englisch oder Emojis gehen anders mit den Themen um. Zum Beispiel der griechische Dichter Horaz, der schon wenige Generationen vor den großen Stoikern ein Zitat prägte, das heute auf Millionen Postern und bestickten Handtüchern zu finden ist:

Carpe diem – Nutze/pflücke den Tag!

Horaz, Ode „An Leukonoë“

Mit «Carpe diem» kann man Menschen hervorragend abholen. Mit «Memento Mori» nicht so einfach, weil zu dunkel und der Tod und überhaupt. Doch beide Leitmotive haben die gleichen Wurzeln. Der Unterschied liegt, wie so häufig im Stoizismus, in der Rationalität und Argumentation. Einfach gesagt:

Wenn Ihr Euch fragt: «Carpe diem – warum eigentlich und warum gerade heute?», sagt der Stoiker, «Hallo? Weil es morgen vielleicht schon zu spät ist.». Und recht hat der Stoiker, der mit seiner Logik und Härte noch in Hunderten von Jahren das unschlagbare Partyanimal sein wird – Trauerfeiern inklusive.

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