Bullseye! Wie Stoiker zu Darts und Tischtennis stehen …

Was die Dichotomie der Kontrolle ist und warum man selbst als Stoiker noch am sportlichen Wettkampf teilnehmen darf.

Darts ist stoischer als Tischtennis – die Dichotomie der Kontrolle sei Dank.
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Waaannhandertääändeeeeeeytiiiiii

Dem Klischee nach geht der Stoiker ja zum Lachen in den Keller. Bei OX & RE ist dies anders, der Kellerbesuch dient eher dem Werfen von Darts. Beim Werfen der Pfeile lassen sich ganz andere Dinge trainieren und kontrollieren, als OX & RE es aus der Meditation kennen.

Dass stoische Menschen sich ans Dartboard oder an die Tischtennisplatte stellen dürfen, um den Wettkampf mit anderen einzugehen, ist nicht selbstverständlich. Tatsächlich könnte Sport ein ernsthaftes Problem sein, wenn man die Dichotomie der Kontrolle ernst nimmt – eine der wohl wichtigsten Leitlinien im Stoizismus. Warum Ihr trotzdem in Zukunft noch andere Stoiker im Boxring zu Brei hauen dürft, erklären wir Euch in diesem Beitrag.

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Was ist dieses Dicho-Ding überhaupt?

«Dichotomie» kommt aus dem Altgriechischen (schnarch!) und heißt soviel wie „zweigeteilt, aber ohne Schnittmenge“. Hä? Ganz einfach: Auf dem Fußballplatz gehört man entweder zum einen oder zum anderen Team, niemals zu beiden. Eine klare Unterteilung in zwei Teile, die nichts miteinander gemeinsam haben.

Der «echte» Fußballplatz («Se Tschäääämpjeeeens …») verstößt diese Vorgaben leicht. Neben Team A und Team B gibt’s ja noch Schieds- und Linienrichter. Es ist hier also eher eine Dreiteilung («Trichotomie», liebe Altgriechen), aber die Eigenschaft «keine Schnittmenge» bleibt erhalten. Natürlich behaupten die Fans der einen Mannschaft IMMER, der Schiedsrichter verletzt die Trichotomie, da er insgeheim für das andere Team pfeift und doch irgendwie zu diesem gehört.

Bei Darts, Tischtennis & Co. ist die Dichotomie ziemlich karg – hier ein Mensch, da ein anderer. Und dann: Ring frei!

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Jetzt aber: Zeit für Philosophie

Hat bislang alles nichts mit Stoizismus zu tun, ändern sich nun aber schlagartig: Dichotomie der Kontrolle. Und die große Frage: Was im Leben könnt Ihr eigentlich kontrollieren? Worauf habt Ihr Einfluss und was sind Dinge, die Euer Leben zwar betreffen, an denen Ihr aber nichts ändern könnt?

Für den römischen Stoizismus von Epiktet bis Marc Aurel war dies eine zentrale Frage. Und welche Dinge konkret in unserer Macht und Kontrolle liegen und welche Dinge nicht, ist Inhalt verschiedener Zitate, Briefe und Bücher der Protagonisten. Wie immer auf dieser Website nutzt OX & RE die Vereinfachung und fasst grob zusammen: «Was da draußen in der Welt passiert – keine Kontrolle. Wie wir innerlich damit umgehen – Kontrolle.».

Hier die simpelsten Beispiele aus Euer aller Leben:

  1. Wie das Wetter morgen wird: Nö!
  2. Ob ich mich über das Wetter von morgen ärgere: Jo!
  3. Dass mein Chef mit heute angeschrien hat: Nein!
  4. Ob ich mir das Anschreien zu Herzen nehme: Yes!
  5. Dass mein liebster Podcast endet oder mein Lieblingsimbiss schließt: Nene!
  6. Wie ich ohne Podcast und Grillwurst jetzt weiterlebe: Zu 100 %!

Das heißt nicht, dass Ihr der Welt komplett hilflos ausgeliefert seid. Ihr habt neben Euren Gefühlen und Gedanken auch Handlungen, die Ihr direkt beeinflussen könnt. Und sogar müsst, um Kontrolle über Euer Leben zu haben. Aber die Entwicklungen der großen Politik oder die Preise an der Tankstelle gehören nicht hierzu – sie sind ein Ärgernis, oder eben nicht, wenn Ihr Euch gemäß Stoizismus in der Dichotomie der Kontrolle übt.

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Schwierigkeiten mit der Platzkontrolle

Die Philosophie hinter der Dichotomie der Kontrolle ist offensichtlich: Unzählige Menschen (und hoffentlich nicht Ihr) investieren täglich Zeit, Mühen und Nerven in Dinge, die sie zu 100 % nicht beeinflussen können. Diese Menschen machen sich das Leben schwer mit Dingen, die weit außerhalb ihres Handlungsspektrums liegen. Wer die Sicherheit hat, gewisse Dinge nicht beeinflussen zu können, sollte sich anderen Gedanken widmen und Ruhe finden sowie Gleichmut zeigen.

Der Entscheidung geht natürlich Eure Überlegung voraus: Könnt Ihr eine Situation kontrollieren oder nicht? Könnt Ihr das Wetter kontrollieren? Nein, also nicht ärgern! Könnt Ihr kontrollieren, wie Ihr Euch passend zum Wetter einkleidet? Ja, also ran an den Kleiderschrank.

All dies ist gut und schön, bis der Stoiker anfängt, Sport zu treiben. Hier stößt er auf ein Problem, das vor allem Einsteiger in den Stoizismus intuitiv falsch angehen. Denn tatsächlich ist der Wettkampf am Dartboard oder der Tischtennisplatte keine Dichotomie:

  1. Könnt Ihr zu 100 % den Ausgang des Matches gegen Euren Gegner «auf dem Platz» kontrollieren? Nein! Da hat der Gegner auch noch ein Wörtchen mitzureden!
  2. Liegen Sieg oder Niederlage zu 100 % außerhalb Eurer Kontrolle? Auch nein! Ihr spielt schließlich mit und beeinflusst Inhalt und Ablauf des Matches.

Sollten Anhänger der stoischen Philosophie denn jetzt den Wettkampf annehmen oder nicht?

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Das falsche Ziel vor Augen

Die Antwort auf die Frage ist überraschend einfach. Die stoische Idee der Kontrolle liegt nicht bei der Kontrolle des Ausgangs des Matches, sondern in der Kontrolle des eigenen Verhaltens. Was dieser wüste Satz heißen soll und wie er das Problem löst:

Es gibt keine Kontrolle über Sieg und Niederlage. Stoische Anhänger müssten also jede Einladung zum Tischtennis und Darts absagen – was sie nicht kontrollieren können, mit dem Ding befassen sie sich schließlich gar nicht erst.

Der Stoiker sucht den «Sinn» des Wettkampfes nicht in einem möglichen Sieg. Denn er weiß: Ich kann es nicht kontrollieren, ob der Gegner stärker ist oder heute einen besseren Tag hat. Der Stoiker überlegt getreu der Dichotomie der Kontrolle: Was kann ich konkret beeinflussen? Was kann ich ändern, um die Dinge so zu gestalten, dass sie mich weiterbringen, voranbringen, reifen lassen?

Der Stoiker strebt also an, optimal vorbereitet ans Dartboard oder die Tischtennisplatte zu gehen. Er fragt sich: Habe ich alles getan, um dieses Match siegreich zu beenden? Wenn ja und ich verliere trotzdem – shit happens, das unterlag eben NICHT meiner Kontrolle. Wenn nein und ich verliere – dann verliere ich vielleicht gerade deshalb. Ich habe meine Erfahrung gesammelt und kann das Wissen über mich und die Welt für die Zukunft nutzen.

Und Sport, Fitness oder Wettkampf sind durchaus Dinge, die Stoiker als «wertvoll» erachtet. So vergleicht Epiktet in Encheiridion 51 das Zerstören oder Bewahren eines (persönlichen) Fortschritts, bei dem es manchmal nur auf einen einzelnen Moment ankommt, mit den Olympischen Spielen – die Ablehnung von Sport sieht anders aus. Der Wettkampf formt den Körper und den Geist und bietet ausreichend Inhalt, sich mit Tugenden zu befassen und als Mensch zu reifen.

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Dabei sein und/oder gewinnen ist NICHT alles

Wo genau stoische Messlatten beim Sport liegen, lässt sich als Abschluss in diesem Beitrag anhand von zwei bekannten sportlichen Sprüchen und Klischees auf den Punkt bringen:

«Gewinnen ist nicht alles.»

Korrekt, es ist für den Stoiker eher ein positives, zufälliges Beiprodukt der eigenen Bemühungen.

«Dabei sein ist alles.»

Absolut nicht! Welchen Nutzen sollte das haben, halbherzig zu trainieren und in der Vorrunde auszuscheiden? Dann muss ich gar nicht erst teilnehmen. Mit meiner optimalen Vorbereitung erreiche ich mein optimales Ergebnis. Und erkenne vielleicht, wenn es nicht Platz 1 ist, was ich in der Zukunft besser machen könnte. Sofern es Wert für mich hat.

OX & RE werfen im Keller auch nicht als Vorbereitung für die großen Turniere, nicht mal für regionale Wettbewerbe. Aber für Konzentration und innere Ruhe und Fokus und Achtsamkeit. Und genau zu diesen Themen findet Ihr auf unserer Website noch manch anderen Beitrag – das dürft Ihr gerne kontrollieren.

(Übrigens: Wer gut dartet, zielt sein Spiel einfach durch und muss gar nicht drauf achten, was der Gegner macht – anders als beim Tischtennis. So wird Darts fast zur idealen Sportart, um der Dichotomie der Kontrolle zu genügen.)

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