Stoisch? Störrisch? Stur? – Was heißt es, stoisch zu sein?

Warum Stoiker mit manchem Vorurteil zu kämpfen haben und weshalb stoisch sein trotzdem eine positive Eigenschaft ist.

Dieser putzige Esel ist gar nicht so störrisch, wie die meisten Stoiker auch.
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Stoiker, diese ollen Esel!

Wenn OX & RE im Alltag andeuten, man befasse sich intensiv mit der stoischen Philosophie, gibt es zwei typische Reaktionen. Die erste: «Was ist denn das?». Die zweite: große Skepsis! Stoische Menschen, sind das nicht diese emotionslosen Sturköpfe, die sich von nichts beeinflussen lassen? Und da «stoisch» ein wenig so klingt wie «störrisch» oder «stur», ist man schnell der olle Esel.

Was vor über zwei Jahrtausenden in der Stoa gelehrt und in Rom weiterentwickelt wurde, hat wenig mit dem sturen Lastentier zu tun. Die stoische Philosophie und ihre Tugenden braucht allerdings manchmal einen zweiten, genaueren Blick. Eine Philosophie sollte schließlich dem Leben und Handeln in der Welt dienen, nicht einfach nur zum Herumeseln einladen.

In diesem Artikel zeigen Euch OX & RE ein paar Einstellungen und Werte, die zum stoisch sein dazugehören. Der Fokus liegt auf Eigenschaften, die gerne falsch interpretiert werden und so nicht von Seneca, Marc Aurel oder den frühen Philosophen der Stoa gemeint waren. Viele dieser Werte, die die stoische Philosophie prägen, sind heute wichtiger denn je.

Wie immer bei OX & RE gilt auch hier: Manches in diesem Artikel wird etwas vereinfacht, um einen grundlegenden Einblick ins stoische Denken zu ermöglichen. Für die detaillierte Seite gibt’s heute und in Zukunft weitere Artikel bei OX & RE – und gute Bücher und Webseiten.

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1. Stoiker sind diese extremen Sturköpfe!

Der Mythos: Mit einem Stoiker muss man gar nicht erst diskutieren. Hat er erst einmal seine Meinung, schaltet er auf stur und geht auf keine anderen Gedanken und Dinge mehr ein. Er sieht die Welt durch seine ganz eigene Brille, andere Meinungen und Sichtweisen werden konsequent abgeblockt.

Die Wahrheit: Ein Stoiker setzt sich viel mit dem Leben auseinander. Und – wie bei jeder Philosophie oder Religion – hat er seine Grundwerte. Tatsächlich setzt die stoische Philosophie eine vernünftige und durchdachte Herangehensweise voraus – was der Stoiker an Klarheit für sich gewonnen hat, wird er nicht ohne Weiteres aufgeben. Im Streben nach Wissen ist er jedoch für jeden Input von außen froh.

OX & RE sagen: Als Stoiker ist man weniger anfällig für die Meinungsmache in Social-Media oder das Getratsche in der Kaffeepause im Büro. Man bietet den Mitmenschen um sich herum eine Verlässlichkeit in Worten und Taten – und das ist eher eine Stärke.

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2. Stoiker trainieren sich alle Emotionen ab!

Der Mythos: Die stoische Philosophie lehrt seinen Anhängern, sich Emotionen aller Art abzutrainieren. Das Ziel ist, zu einem völlig logischen und rationalen Wesen zu werden. Man behält in jeder Situation die Ruhe, steht über den Dingen und nimmt selbst die schönsten Momente des Lebens mit einem unbeteiligten Lächeln wahr.

Die Wahrheit: Die stoische Philosophie befasst sich mit emotionaler Regulation. Genauso, wie sich ein Wasserhahn mit der Regulation von kaltem und warmem Wasser befasst. Die Aufgabe des Hahns ist nicht, das Wasser dauerhaft abzustellen. Sondern passend zur Situation zu dosieren. Zum Beispiel so, dass man sich nicht verbrennt und Opfer seiner «heißen Emotionen» wird. Für Gefühle heißt dies konkret: Negative so gut es geht herunterfahren, positive so gut es geht intensivieren.

OX & RE sagen: Das Gegenteil zur stoischen Einstellung ist nicht, gefühlvoll zu sein. Das Gegenteil ist, permanent von der eigenen Gefühlswelt hin- und hergerissen zu werden, wie es viele Menschen sind und sich im Nachhinein selbst hierüber ärgern. Emotionale Kontrolle macht sich gerade in Stress- und Notsituationen bezahlt. Um einen kühlen Kopf zu bewahren und «das Richtige» zu tun, während die Welt um einen durchdreht – und das ist eher eine Stärke.

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3. Stoikern ist das Elend in der Welt egal!

Der Mythos: Der Stoiker hat eine extreme Gleichgültigkeit gegenüber der Welt. Ob großer, politischer Konflikt oder Streit vor der eigenen Haustür – stoisch zu sein heißt, sich rauszuhalten. Wenn morgen die Welt untergeht, man behält trotzdem seine Ruhe und würde es einfach geschehen lassen.

Die Wahrheit: Ob damals in der Stoa oder heute, Stoizismus ist eine praktische Philosophie. Eine Philosophie, die das Leben, die Menschen und die gesamte Welt beeinflussen soll. Dazu gehört auch die Erkenntnis, was sich individuell beeinflussen lässt und was Zeit und Aufwand wert ist. Ist dies nicht der Fall, gibt es mit Sicherheit wertvolle Dinge, mit denen ein Mensch mit stoischer Haltung seinem Umfeld helfen kann.

OX & RE sagen: Die stoische Lebensweise ist zum Teil von der Auseinandersetzung mit unseren Mitmenschen und dem «großen Ganzen» geprägt. In Zeiten von digitaler Informationsflut und Freizeitstress ist es wichtiger denn je, klar zu filtern, womit man sich befassen sollte und womit nicht. Hier geben Seneca, Marc Aurel & Co. den besten Rat: Befasst Euch mit dem, was Ihr beeinflussen könnt und lasst Euch nicht durch das andere stressen und ausbremsen – und das ist eher eine Stärke.

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4. Stoiker haben diese sonderbare Todessehnsucht!

Der Mythos: Als Stoiker befasst man sich die meiste Zeit mit dem Tod und der eigenen Sterblichkeit. Keine Tätigkeit in Leben und Alltag wird erlebt, ohne dabei die Vergänglichkeit vor Augen zu haben oder zu denken, das hier könnte «das letzte Mal» sein.

Die Wahrheit: Die Auseinandersetzung mit dem Tod prägt die stoischen Gedanken seit Anbeginn der Stoa. Allerdings hatten weder Seneca noch Epiktet oder Marc Aurel Todessehnsucht. Vielmehr geht es darum, die Dinge im Leben aus einem neuen Blickwinkel zu betrachten, ohne ihre Vergänglichkeit außer Acht zu lassen.

OX & RE sagen: Über Dinge wie den Tod nachzudenken, erfüllt keinen Selbstzweck. Seit den Anfängen der Stoa steht stärker im Fokus, die Zeit des Lebens zu nutzen und das Vergehen allen Lebens als Motivation hierfür zu sehen. Die Endlichkeit der Menschen und Dinge vor Augen, entsteht wie bei einer guten Meditation ein größeres Bewusstsein für den Moment – und das ist eher eine Stärke.

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5. Stoikern sind ihre Mitmenschen völlig egal!

Der Mythos: Stoiker machen sich keine Gedanken um Ihre Mitmenschen. Sie ziehen sich lieber in Ruhe mit einem guten Buch zurück, so kann man schließlich das Wissen erweitern und muss sich nicht mit zwischenmenschlichem Geplänkel aufhalten. Emotionale Konflikte und alles, was das menschliche Miteinander ausmacht, werden bewusst aus dem Leben ausgeklammert.

Die Wahrheit: Stoisch zu leben heißt, sich mit anderen Menschen zu befassen. Und Stoiker sind oft gute Gesprächspartner. Aber im Regelfall lassen sie sich nicht in Smalltalk und Belangloses hineinziehen. Unsere Lebenszeit ist kostbar und verdient es, mit dem verbracht zu werden, was wirklich wichtig ist. Genau dies können auch tolle, wertvolle Menschen sein.

OX & RE sagen: Anhänger der Stoa sind durchaus bedachte und ruhige Zeitgenossen, seltener Redakteure für die Klatschspalten in der Frauenzeitschrift. Dies macht sie zu etwas weniger «sozialen» Menschen als diejenigen, die mit jedem gut Freund sind und sich vom Austausch eines Gerüchtes ins nächste stürzen. Umgekehrt heißt dies: Wer Zeit mit Stoikern verbringt, was schon vor dem ersten gesprochenen Wort, dass das Gegenüber die gemeinsame Zeit und die eigene Person zu schätzen weiß – und das ist eher eine Stärke.

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Aus dem Esel einen Elefanten machen

OX & RE haben lange nachgedacht, ob es ein besseres Tier als den störrischen Esel gibt, um Stoikern gerecht zu werden. Fazit ist: Es gibt keins! Am ehesten vielleicht der Elefant – sensibler Dickhäuter mit klarer Meinung und legendären eigenen Friedhöfen. Versucht mal, einen Elefanten von der Seite umzustoßen oder Euren Willen aufzuzwingen – da macht es Euch der Esel deutlich einfacher.

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