Belgien und die innere Stimme

Welche Eigenart die innere Stimme hat und was sich hieraus über unseren Gedankenstrom und das Ego herleiten lässt.

Hier ein bisschen Belgien, wie sicher auch Eure innere Stimme gerade sagt,
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Hallo, ich bin’s wieder – der Vorleser

Schön, dass Ihr gerade wieder einen Artikel von OX & RE lest. Doch wer liest den gerade eigentlich genau? Also: Da spricht doch jemand, oder? Ihr könnt Euch selbst in Eurem Kopf hören, ohne diese Worte hier laut vorzulesen. Auch Ihr habt eine innere Stimme, die das hier gerade vorträgt. Es ist dieselbe Stimme, die Euch Eure Gedanken anliefert, wenn Ihr ein Problem löst oder Wissen aus Eurem Gehirn abruft.

Ein sonderbares Ding, zumal alle Menschen mit inneren Stimmen ausgestattet sind. Und hier gibt’s genügend Psychologie zum Thema. Wie liebevoll sprecht Ihr mit Euch? Motiviert Ihr Euch oder redet Ihr Euch klein? All dies soll aber nicht Thema dieses Artikels sein.

Vielleicht habt Ihr schon den Artikel zum Thema «Selbstillusion» hier bei OX & RE gelesen. Dieser Artikel greift ihn auf und ist ein kleines Puzzlestück, um Euch den Weg zur Ego-Überwindung und der Flüchtigkeit Eurer Gedanken zu ebnen. Also (leider) wieder ein wenig Next Level, das Thema. Und Eure innere Stimme spielt hierbei (leider) die Hauptrolle.

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Doch zuerst: Flaggen und Fußball

OX & RE haben einen Teil ihres Lebens in einer Region der Welt verbracht, in der die Bevölkerung eine Nähe zur belgischen Fußball-Nationalmannschaft hatte. Bei großen Turnieren war es üblich, die schwarz-gelb-roten Flaggen aus dem Fenster zu hängen. Dies ist beim allerersten Mal noch befremdlich. Gestern noch auf eine einfache Hauswand geschaut, heute hängt dort eine Flagge.

Als OX & RE zum ersten Mal im Leben dieses Ritual und eine Flagge sahen, hörten Sie die innere Stimme sprechen. Und die Stimme sprach: «Belgien»! Alleine das ist schon ein kleines Wunder. Das Gehirn speichert das Wissen, dass drei bestimmte Farben untereinander angeordnet für eine ganze Nation stehen. Die Stimme sagt ja nicht: «Schwarz-gelb-rot gesteift, das ist doch die Nationalflagge von Belgien». Sondern: «Belgien»!

Auf den zweiten Blick (oder besser: aufs zweite Hinhören) eröffnet uns «Belgien» viel tiefere Einblicke über die innere Stimme, unsere Intuition und die Worte, die wir so regelmäßig mit uns selbst sprechen.

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Tisch, Stuhl, noch ’n Stuhl …

Dass die innere Stimme den Namen eines Landes beim Blick auf ein Stück Stoff liefert, ist okay. Die spannendere Frage ist: Was liefert die innere Stimme eigentlich die ganze Zeit nicht an? Wenn es alleine darum geht, dass Euch Eure inneren Stimmen mitteilen, was sie außen (konkret oder symbolisch) wahrnehmen, hätte der Gedankenstrom sein gemusst: «Bürgersteig, Treppen, Hauswand, Fenster, Flagge, Belgien». Genau das passiert nicht, und das kennt Ihr aus Eurem Alltag und Leben. Eure innere Stimme spricht nicht permanent mit Euch und sagt Euch nicht zum tausendsten Mal „Tisch, Stuhl, noch ’n Stuhl“, wenn Ihr in Eure Küche kommt.

Wir können annehmen: Die innere Stimme liefert uns dann einen konkreten Gedanken, wenn etwas heraussticht, neu ist, wichtig ist. Die Flagge war ja gestern noch nicht da. Aber wirklich wichtig ist sie nicht. Und was ist mit den ganzen kleinen Neuerungen im Alltag, die ich nicht sehe und nicht durch meine innere Stimme erklingen höre?

Eher könnten und sollten wir annehmen, dass uns das Unterbewusstsein diese Wörter (und noch wichtigere Gedanken) einfach so anliefert. «Belgien» hat in diesem konkreten Moment irgendeinen Sinn oder eine Bedeutung, was «Fenster» oder «Bürgersteig» nicht hatten. Wenn Ihr angetrunken über die sechsspurige Fahrbahn torkelt und nach dem rettenden Ufer sucht, hat «Bürgersteig» mit Sicherheit einen wichtigen Kontext und wird durch Eure innere Stimme «erwähnt».

Lange Rede, kurzer Sinn: IHR (also, der bewusst denkende Kopf) habt ziemlich wenig Mitspracherecht, welche Gedanken für die innere Stimme wirklich wichtig sind und deshalb hörbar im Kopf auftauchen.

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Achtung: OX & RE manipulieren Euch!

Als wäre das Sprechen und Hören der inneren Stimme nicht schon «zufällig» genug, legen OX & RE jetzt noch einen drauf. Stellt Euch folgende Situation vor: Ihr steht nach einer langen Wanderung oben an der Kante eines lange erloschenen Vulkans. Ihr schaut nach unten und habt den Eindruck, dort unten, ganz in der Ferne, scheint heiße Lava zu funkeln.

In den letzten Sekunden haben Euch OX & RE extrem manipuliert (Disclaimer: Wir hatten Euch gewarnt!). Nichts, aber rein gar nichts in diesem Artikel, und vermutlich in den letzten Minuten Eures Lesens, hatte mit Vulkanen zu tun. Trotzdem ist das Bild in Eurem Kopf entstanden. Und wer weiß, welche Gedanken in den nächsten Minuten und Stunden noch folgen und von Eurer inneren Stimme angeliefert werden – alleine ausgelöst durch diesen kurzen Einwurf über Vulkane. Bilder statt Worten gehen natürlich auch.

OX & RE sind ja nett und haben aktiv auf die Manipulation Eurer inneren Stimme hingewiesen. Aber überlegt mal, wie viele Dinge des Alltags beiläufig ins Auge fallen. Wie viele Gedanken von Euch spontan entstehen, weil Ihr gerade etwas seht und nicht einmal ein Gefühl oder eine Intuition dafür habt, was dieser Moment unterbewusst in Euch auslöst. Dies macht es noch um Längen zufälliger, was die innere Stimme mit Euch, Eurem Kopf und Eurem Leben anstellt.

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Vom Zufall zur Identität

Alles bislang Genannte mag Euch bekannt sein – ob aus Psychologie oder eigener Erfahrung. Der spannende Punkt ist: All dies gerät in den Hintergrund, wenn Ihr nicht aktiv darüber nachdenkt und ganz beiläufig und automatisch Euren inneren Stimmen zuhört. Schlimmer noch: Ihr identifiziert Euch mit der Stimme, Ihr «seid sie».

Stellt Euch vor, Ihr würdet durch widrige Umstände den kleinen Zeh verlieren. Sicherlich ein bedauernswertes Ereignis, aber Ihr werdet dadurch kaum den Eindruck haben, dass ein Stück Eurer Persönlichkeit, Eurer Identität fehlt. Diese scheint nicht im kleinen Zeh oder einem anderen Körperteil zu stecken. Wo dann? Am ehesten in Eurem Kopf, Eurem Gehirn, in Form dieser Stimme, die mit Euch spricht und die Ihr gefühlt seid.

Genau hierin liegt die Herausforderung mit der inneren Stimme, die viele Menschen von der Intuition her falsch verstehen. All das, was Euch zufällig und unterbewusst durch die innere Stimme angeliefert wird (und wurde), passiert auch dann, wenn Ihr Euch gerade mit Ihr identifiziert und sie nicht kritisch hinterfragt.

Bei Blick auf andere Menschen wird dies sofort deutlich. Und auch Ihr kennt (vor allem) ältere Menschen, die ihre innere Stimme nicht mehr komplett unter Kontrolle haben und laut vor sich hin sprechen, was eigentlich nur im Inneren zu hören sein sollte. Von außen ist hier direkt klar: Diese Menschen sind nicht das, was sie sprechen. Ihre Identität und Persönlichkeit sind nicht alleine auf diese (oft verwirrt) wirkenden Worte zu reduzieren, wenn die Menschen ihrer inneren Stimme laut Ausdruck verleihen. Nur wir selbst scheitert regelmäßig daran, die Grenze zwischen der Stimme in uns als solche und der Identifikation mit ihr zu ziehen.

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Von Meistern und Sklaven

Auch Ihr kennt mit Sicherheit den Spruch, dass unser Gehirn ein guter Sklave, aber ein schlechter Meister ist. Genau dies passt hervorragend zum Umgang, den Ihr Euch für Eure innere Stimme aneignen solltet. Denn klar ist: Die Stimmen, die mit Euch sprechen, erfüllen einen sinnvollen Zweck. Sie wären sonst evolutionär kaum entstanden. Und manchmal hat die innere Stimme etwas wirklich Nützliches zu sagen. («Hey, geh am besten mal ein Stück zur Seite, sonst überrollt Dich der LKW da drüben»).

Als Hinweisgeber ist die innere Stimme somit super. Aber nicht als Steuereinheit für Euer Inneres, die permanent suggeriert, dass sie «der Herr/die Frau im Haus» ist. Wer seine Persönlichkeit mit der eigenen inneren Stimme gleichsetzt, vertraut auf ein vom Unterbewusstsein genährtes Zufallsprodukt, das Euch sicherlich nicht das Gefühl gibt, Euer Leben in allen Details zu beherrschen und eigenmächtig zu steuern.

Was bleibt ist, die innere Stimme systematisch zu analysieren und genau diese Tatsachen für Euch selbst aufzudecken. OX & RE haben hierzu auch eine Ox-Re-Cise. Doch manchmal reicht es schon, kurz im Leben haltzumachen und sich zu fragen: «Öhm, wo kommt dieser Gedanke eigentlich gerade her? Warum denke ich gerade xyz, obwohl ich vor einer Minute noch komplett woanders war?».

Wer so sein Inneres langsam aber sicher enttarnt, lernt eine neue Seite an sich kennen – eine Seite, bei der auch Eure Stimmen im Inneren nicht mehr alleine «Ihr selbst» sein werden. Und Ihr seid der Ego-Überwindung ein Stück näher. Mehr dazu in einem späteren Artikel.

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